Es regnete noch immer, als wir langsam das Dorf hinter uns liessen und in die freie Wildnis einkehrten.
Aber natürlich reichte das nicht aus, um die Räder zum Quellen zu bringen. So schoben wir den Karren also sehr vorsichtig weiter und stellten auf dem aufgeweichten, sandigen Waldweg schnell fest, wie angenehm es doch war die winzigen Räder über festen Asphalt zu ziehen. Aber wir liessen uns nicht entmutigen und begannen, die mehr oder weniger unberührte Natur zu geniessen, die unseren Weg bereitete. Nach und nach spannten wir mit den restlichen Gurten auch noch die anderen Raben an, um den Wagen dann mit fünf vereinten Kräften durch den Feldweg zu pflügen. An der nächsten Strassenkreuzung entschieden wir uns dann, um Kräfte zu schonen, den Rest des Weges möglichst auf befestigten Wegen zu bleiben. Das schmälerte zwar das Naturerlebnis, erleichterte aber das Vorankommen erheblich. Und Vorankommen war mittlerweile das oberste Ziel geworden. Wer immer den Wagen zog, legte ein erhöhtes Tempo von 5 bis 6 Kilometer pro Stunde vor, da der Karren dadurch leichter rollte. Die Fuss-Raben hatten teilweise Mühe, Schritt zu halten. Bergauf schoben wir, bergab bremsten alle gemeinsam. Wir umfuhren den Höhbeck und stiessen östlich davon wieder direkt im Elbholz an den Radweg, der für die nächsten Stunden unser Blickfeld links mit dem Deich und rechts mit allerlei urigem Gehölz versperrte. Kein schöner Weg. Langsam schmerzten die Füsse und die Kräfte liessen trotz der ständigen Nahrungsaufnahme auch nach. Und essen konnten wir ständig. Unterwegs wurden Würste, Nüsse, Trockenfrüchte und Käse verspeist. Erstaunlich, wie gierig ein angestrengter Körper nach Energie verlangen kann. Und erstaunlich wie schnell Trockenfrüchte Gase treiben und Bauchkrämpfe verursachen können. Rudi musste sich erstmal entgasen…. Die Räder hatten mittlerweile die meisten ihrer Stahlnägel ausgeworfen und so eierten die Laufringe sehr bedrohlich auf den Holzfelgen. Jetzt musste repariert werden. Wir hatten zwar eine Säge und eine mittelalterliche Gertel dabei, aber wo sollte man im Elbsumpf und bei Dauerregen trockenes und hartes Holz finden? So musste leider der Eichenaufbau unseres Karrens dran glauben. Mit kleinen Keilen und Stöpseln wurde also das linke Hinterrad geflickt. Die Notreparatur war erstaunlich effektiv. Der Regen hatte mittlerweile etwas nachgelassen und wir näherten uns sehr langsam dem kleinen Elbstädtchen Schnackenburg. Und es wurde Zeit, dass wir die erste Etappe beenden konnten, denn es wurde langsam dunkel. Na jedenfalls dunkler, als es den Rest des Tages ohnehin schon gewesen war. Die Motivation war schon stark gesunken, als wir als Einzige auf die kleine Fähre auffuhren und den belustigten Fährmann für die Überfahrt entlohnten. Am grauen Horizont liessen wir die Skyline Schnackenburgs und damit auch Niedersachsen hinter uns und begaben uns in unbekanntes Neuland. Lange konnten wir jedenfalls nicht mehr laufen, der Himmel zog immer weiter zu und ein ekliger, kalter Wind setzte ein. Wir sondierten kurz die Lage und befuhren dann den Radweg auf dem Elbdeich. Nach wenigen hundert Metern waren jegliche Anzeichen von Zivilisation verschwunden und wir befanden uns irgendwo im Nirgendwo. Am Aussendeich lud eine kleine Baumgruppe zum Lagern ein und so entluden wir nach gut 16 Kilometern endlich den Karren und schoben ihn hinunter ins Elbvorland. Unter dem dichten Laubdach war sogar der Regen kaum zu spüren und der Wind wurde durch den Deich sehr gebremst. Schnell war das Lager errichtet und das Feuer entfacht. Die Köche machten sich ans Schnibbeln und zauberten einen deftigen Linseneintopf. Der Apfelmet erleichterte das hinübergleiten in die Nacht. Menschen suchte man hier vergeblich. Aber auch Tiere trauten sich kaum an diesen unwirtlichen Ort. Hin und wieder überflogen uns ein paar Zugvögel. Aber über Nacht wurden wir recht allein gelassen. Trotz der offenen Lagerkonstruktion und dem feuchtkühlen Wind, war uns allen sehr warm in den Schlafsäcken und das Gruppenkuscheln erlaubte eine geruhsame Nacht. Und so träumten wir im Niemandsland von den Gruselgeschichten, die uns den Abend über unterhalten hatten. |
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Fortsetzung... |
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