Am nächsten Morgen umfing uns bittere Kälte.

Zwar war das Lager überraschenderweise sehr trocken geblieben, aber es war über Nacht so stark abgekühlt, dass wir uns erst aus den Schlafsäcken pellten, als bereits die leckere Kirschsuppe über dem Feuer köchelte. Schnell stiegen wir in unsere diversen schichten aus Leinen und Wollkleidung und nahmen das Frühstück ein.

Um den Wagen nicht am Deich zu zerschmettern, schoben wir ihn zunächst leer hinüber auf den Radweg und packten dann das Lager wieder darauf. Nicht nur die Anstrengung, sondern auch die Sonne, die mittlerweile die Wolkendecke durchstossen hatte, sorgten nun schnell für hohe Temperaturen, so dass wir alle die Wollkleidung wieder ablegten und beschlossen, in Unterwäsche weiterzuziehen.

Der Radweg am Innendeich war um einiges angenehmer als noch auf der niedersächsischen Seite, da man von hier aus weit ins Land sehen konnte.

Wir futterten mal wieder unser Proviant und begegneten hin und wieder ein paar Radfahrern und Wanderern. Das rechte Hinterrad machte schlapp und wurde ebenso notdürftig mit Holzkeilen geflickt.

Uns war mittlerweile so warm, dass wir einen Badesee suchten. Allerdings war an die kleinen Teiche direkt am Deich nicht ranzukommen und so zogen wir weiter, bis wir an eine Brücke über die Löcknitz kamen. Immerhin führte hier eine Treppe hinunter zum Wasser. Aber das Ufer war mit spitzen Steinen befestigt und so hatten Kaddi und Kathinka einige Schwierigkeiten, bis sie endlich das kühle Nass erreichten.

Nach einer kurzen Trocknungspause gings weiter. Wir verliessen nun den Weg direkt an der Elbe und begaben uns weiter ins Land hinein. Die Strasse wurde schlechter und auch unsere Füsse schienen sich gegen die erneuten Strapazen zu wehren.

Wir machten hin und wieder Rast und wechselten die Zugraben. Als wir endlich von weitem die Burg zu Lenzen über den Baumkronen blitzen sahen, kam doch etwas Mittelalterflair auf.

Vorbei an Schafen, Pferden und Kühen begaben wir uns also in den Ort und in Richtung Fähre.

Bevor wir allerdings den Deich überquerten, hatten Birga und Kathinka ein verlorenes Lamm auf einem Acker ausgemacht und sich bereits durch den Matsch zu selbigem durchgekämpft.

Mit gutem Zureden und einem beherzten Griff war das Tier schnell eingefangen und auf die angrenzende Schafwiese zurückgebracht. Nach anfänglichem Zögern kehrte es also in den Schoss der großen, blökenden Familie zurück.

Wir zogen also weiter zum Fähranleger und wurden von einer Menge Touristen teils argwöhnisch, teils belustigt oder interessiert begrüßt.

Der Fährmann an dieser Stelle zählte unseren Karren aber nicht als Anhänger und so kamen wir mit einem geringeren Obulus auf die andere Seite und damit zurück nach Niedersachsen.

Es war mal wieder Zeit für eine Rast, denn die Füsse schrien bereits nach Entlastung. So schlugen wir uns durch die Büsche in eine kleine Elbbucht, in der Kaddi und Kathinka sofort wieder ins Wasser sprangen und badeten. Hier am Strand mit Blick auf das weite Land jenseits der Elbe kamen abermals mittelalterliche und romatische Gedanken auf. Hätten wir noch einen Tag mehr Zeit gehabt, so wären wir bestimmt über Nacht hier geblieben.

Aber das Zuhause war nah und so schulterten wir wieder unser Gepäck und starteten die letzte Etappe.

Die Sonne stand bereits tief, als wir wieder in den beschwerlichen Feldweg einbogen und abermals mit vereinten Kräften den Karren durch den Wald wuchteten. Mit jedem Schritt, den wir dem Ziel näher kamen, kehrte unsere Motivation und damit auch ein erhöhtes Tempo zurück. Gedanken an heimkehrende Pferde kamen auf, die ebenfalls auf dem Heimweg schwer zu bremsen sind.

Keinen Meter mehr hätten wir laufen wollen, als wir nach unendlichen 38 Kilometern wieder am Startpunkt angekommen waren. Völlig erschöpft liessen wir uns auf den Boden fallen und delektierten uns an den Dingen, die wir unterwegs sehr vermisst hatten – zuckersüße Cola und Naschkram. Der Ruf nach Pommes und Ketchup wurde laut.

Die verschwitzten Klamotten wurden abgelegt und während Birga noch die Löcher in ihren nagelneuen Bundschuhen begutachtete, waren Einige bereits in der Dusche. Der Rest des Abends war von merkwürdigen Geräuschen überall im Garten begleitet. Denn beinahe jeder Schritt, den ein Rabe noch tat, wurde mit einem kurzen „Au!“ kommentiert.


Fortsetzung...